Was, wenn ich gar nicht so gut bin?
Manchmal kommt es still. Nicht dramatisch. Eher wie ein leises Flüstern:
„Du bist nicht echt. Du bist nicht so gut, wie sie denken.“
Egal wie oft andere loben, egal wie viel erreicht wurde – das Gefühl bleibt: Ich habe Glück gehabt. Ich habe es versteckt. Irgendwann fliege ich auf.
Das Imposter-Gefühl ist nicht selten. Aber es fühlt sich einsam an.
Was ist das Imposter-Syndrom?
Menschen mit Imposter-Erleben haben Schwierigkeiten, ihre Erfolge innerlich als verdient zu erleben. Sie schreiben Leistungen äußeren Umständen zu – Zufall, Milde der anderen, Systemfehler.
Innere Glaubenssätze wie:
„Ich habe es nur geschafft, weil…“
„Wenn du mich wirklich kennen würdest…“ sind typisch.
Das Selbstbild ist innerlich abgekoppelt von dem, was außen wahrgenommen wird.
Ein innerer Konflikt
Psychodynamisch betrachtet liegt diesem Gefühl oft ein tiefer innerer Konflikt zugrunde: zwischen dem, wie man erlebt wird, und dem, wie man sich selbst erlebt. Die Außenwelt sieht Leistung – das Innere spürt Unzulänglichkeit.
Der englische Kinderarzt und Psychoanalytiker Donald Winnicott sprach in diesem Zusammenhang vom Konzept des “falschen Selbst”: Ein Selbstbild, das sich früh entwickelt, um die Erwartungen der Umwelt zu erfüllen – oft auf Kosten des wahren inneren Erlebens. Das echte Selbst bleibt verborgen, ungelebt – und das Gefühl entsteht: „Wenn jemand mich wirklich kennen würde, würde er mich ablehnen.“
Selbstwert, Spiegelung und das Selbstobjekt
Auch Heinz Kohut, Begründer der Selbstpsychologie, betonte die Bedeutung früher Spiegelungserfahrungen. Ein Kind braucht einfühlsame Reaktionen auf sein Selbstgefühl – wird dies versäumt oder verzerrt, entsteht eine fragile Selbststruktur. Die Suche nach Anerkennung im Erwachsenenalter kann dann zu einer ständigen Anstrengung werden, die eigene Existenz zu bestätigen.
Das Impostor-Syndrom kann somit als Ausdruck einer nicht konsolidierten Selbstwahrnehmung verstanden werden: Erfolge werden nicht integriert, sondern relativiert oder abgespalten. Innerlich bleibt das Gefühl von Nicht-Genügen – trotz aller Fakten.
Was in der Therapie möglich ist
In der psychodynamischen Therapie geht es darum, das innere Selbstbild und seine Ursprünge zu verstehen. Gemeinsam wird erforscht, woher das Gefühl stammt, nicht authentisch oder wertvoll zu sein – und wie frühere Beziehungserfahrungen dies geprägt haben.
Es kann heilsam sein, im geschützten Raum andere Erfahrungen zu machen: gesehen zu werden, ohne leisten zu müssen. Und langsam ein Gespür für das eigene, echte Selbst zu entwickeln – jenseits von Masken und Erwartungen.